V8-Motoren sind typisch amerikanisch? Von wegen: Auch die deutsche Automobilindustrie probierte sich an den drehmoment- wie klangstarken Achtzylindern. Porsche 928 und Chevrolet Corvette C3 treten zum deutsch-amerikanischen Classic Cars-Vergleich an.
Der Porsche 928 hat es schwer: Er muss sich immer wieder am 911 messen lassen. Immerhin hätte er den legendären Sportwagen seinerzeit ablösen sollen. Am Ende jedoch ergänzte er die Modellpalette der Zuffenhausener, wurde als sportliches Luxus-Coupé neben seinem allgegenwärtigen Bruder positioniert. Eigentlich nicht die schlechteste Lösung – immerhin eroberte sich der viersitzige Gran Turismo schnell seine eigene Käufergruppe. Insgesamt 61.000 Exemplare konnten im Laufe der 18-jährigen Bauzeit (Serie 1 und 2) an den Mann gebracht werde. Damit wäre er als 911-Ersatz zwar gefloppt, im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Marke aber wurde der Porsche 928 enorm wichtig. Die Chevrolet Corvette C3 jener Jahre war da schon aus dem Gröbsten raus. Der 1953 vorgestellte amerikanische Sportwagen hatte sich im Markt längst etabliert, (Design-)Experimente wurden geduldet. Hauptsache, die Power stimmte. Und das war bei der 1967 eingeführten dritten Generation zunächst nicht anders als bei den Modellen zuvor. Viel Hubraum, viel Leistung. Doch die Ölkrise bremste den vehementen Vorwärtsdrang damals vorübergehend aus: Die 180 PS des hier gezeigten 1978er Modells sind fernab der bis zu 435 amerikanischen SAE-PS, mit denen die Chevrolet Corvette C3 bis 1971 zu haben war. Mehr zum Thema: Corvette C4 und Porsche 928 im Classic Cars-Vergleich
Das Corvette C8 Stingray Cabriolet (2020) im Video:
Corvette C3 und Porsche 928: Classic Cars
Punktlandung für den Porsche 928: Er wurde 1977 in Genf vorgestellt, als man wieder Leistung haben durfte. 240 PS sind es in diesem Fall. Während GM bei der Chevrolet Corvette C3 auf die üblichen 5,7 Liter des Smallblock-Motors setzte, hatte Porsche erstmals einen eigenen V8 entwickelt – mit für deutsche Verhältnisse stolzen 4,5 Litern Hubraum. Block und Zylinderköpfe waren aus einer Aluminium-Silizium-Legierung gefertigt. Die beiden in den Zylinderbänken sitzenden Nockenwellen wurden von einem Zahnriemen angetrieben, im simpel aufgebauten Chevy-Motor arbeitete eine Steuerkette. Als der große Porsche auf den Markt kam, war die C3 schon zehn Jahre alt. Entsprechend groß sind die Design-Unterschiede: Die Corvette begeisterte mit ihrer klassisch geschwungenen Cokebottle-Linie, an die moderne Karosserie des Porsche musste man sich erst gewöhnen. Das runde Heck mit den eingelassenen rechteckigen Rückleuchten und die glubschäugigen Klappscheinwerfer trieben die 1975 mit dem 924 vorgestellte neue Designlinie Porsches auf die Spitze. Die Chevrolet Corvette C3 wirkt neben dem Porsche 928 wie ein uramerikanischer Cowboy: Ein verlässlicher Typ, zwar roh und ungeschliffen, aber von der täglichen Arbeit auf der Ranch bärenstark. Der 928 ist dagegen der Bodybuilder, bei dem jeder Muskel, jedes Gramm Körperfett an der richtigen Stelle sitzt.
Corvette C3 fühlt sich schneller an, als sie ist
Wesentlicher Unterschied der beiden V8-Coupés: Die Chevrolet Corvette C3 ist ein Zweisitzer, während der Porsche 928 vier Personen Platz bietet. Die große Heckklappe des 928 gibt den Zugriff auf einen ordentlichen Kofferraum frei, während sich die Corvette als reines Spaßauto empfiehlt: Ja, es gibt eine Art Ablage unter dem gläsernen Fastback-Buckel. Die ist aber in erster Linie für die abnehmbaren Hälften des Targadachs vorgesehen. Das Starten des Motors unterstreicht die schon sichtbare unterschiedliche Charakteristik beider Autos eindrucksvoll: Die Corvette bollert los, wie man es von einem amerikanischen V8 erwartet. Der Porsche gibt sich deutlich verhaltener, ihn muss man schon ein bisschen kitzeln, um den sorgsam gedämmten Motor zu hören. Ebenfalls typisch amerikanisch: die Dreistufen-Automatik, die den Vortrieb in ungebremsten Schub umsetzt. Im Porsche muss, nein: darf man selber schalten. Der Porsche 928 ist eine Fahrmaschine, hier regiert nicht nur der Gasfuß. Das Zusammenspiel zwischen Auto und Fahrer ist wichtig, um die Beschleunigung ausnutzen zu können. Dann geht es am Ende sogar knapp anderthalb Sekunden schneller voran als in der Chevrolet Corvette C3. Auch in der Höchstgeschwindigkeit hat der Stuttgarter die Nase weit vorn. Die Corvette gleicht das auf ihre Weise aus: Die Geschwindigkeit fühlt sich höher an, als sie ist.
Porsche 928 mit ausgeklügeltem Fahrwerk
Der Fahrer ist in der Chevrolet Corvette C3 nicht auf Watte gebettet, sondern auf eine Querblattfeder. Und die gibt die Stöße der Hinterachse spürbar weiter. Das üppige Drehmoment lässt die Corvette tänzeln, wenn der Fahrer es übertreibt (oder herausfordert). Solche Tänze sind dem Porsche 928 fremd: Sein Bruder, der 911, mag mit ausschwenkendem Heck um die Kurven getrieben werden. Aber der gesittete Porsche 928 zieht seine Bahn lieber wie auf Schienen. Dafür hatte man im Entwicklungszentrum Weissach eigens die neue Hinterachse entwickelt: Bei Lastwechseln gehen die entlasteten Hinterräder in Vorspur und verhindern so ein Ausbrechen des Hecks. Außerdem sorgt die Transaxle-Bauweise mit dem an der Hinterachse angeflanschten Getriebe für eine ausgewogene Gewichtsverteilung. Auch die GM-Techniker waren um Innovation bemüht: Ab 1981 statteten sie ihre Chevrolet Corvette C3 mit einer aus Gfk gefertigten Querblattfeder an der Hinterachse aus. Das sparte etwas Gewicht und reduzierte die Rostanfälligkeit des Fahrwerks. Eine weitere wichtige Änderung wurde bereits ab 1973 nach und nach umgesetzt: Die amerikanischen Sicherheits-Bestimmungen ließen zunächst die vordere Chrom-Stoßstange verschwinden, im Rahmen einer größeren Überarbeitung zum Modelljahr 1978 auch die hintere. So wirkte die Corvette trotz ihres ansonsten eher antiquierten Designs deutlich zeitgemäßer.
Corvette C3 und Porsche 928 sind begehrte Oldtimer
Aufgrund des hohen Motor-/Getriebe-Tunnels sitzt man in beiden Autos ähnlich tief. Die Sitze sind sportlich ausgeformt, die Verstellmöglichkeiten bei der Chevrolet Corvette C3 hingegen eher bescheiden. Die Breite des Porsche 928 macht sich natürlich auch im Innenraum bemerkbar: Er scheint in alle Richtungen luftiger – dem setzt die Corvette ihr Targadach entgegen. Die Bedienung erfordert in beiden Autos eine kurze Eingewöhnung, wobei der Amerikaner etwas aufgeräumter wirkt. Im hier gezeigten Fall sitzt man in der weißen Kunstleder-Ausstattung eines Anniversary-Modells beziehungsweise auf den exklusiven Sitzen eines 50-Jahre-Jubiläumsmodells. Die aktuelle Marktlage beweist es: Mit "leicht steigender" Tendenz beobachtet Classic Data den Porsche 928 (Stand August 2020) – Indiz für ein wachsendes Interesse am großen (und vor allem: noch bezahlbaren) Porsche. Die Preise der Chevrolet Corvette C3 hingegen stagnieren. Klar, die Corvette hat ihre Fans, allzu viel Bewegung ist nicht in der Szene. Über das Image beider Autos braucht man sich gar nicht näher auszulassen: Mittlerweile ruht die Vergangenheit, die V8-Coupés erfreuen sich eines gesunden Oldtimer-Daseins. Einen wesentlichen Unterschied sollten Interessierte aber nicht vergessen: Großserientechnik macht die Corvette im Unterhalt günstig, während für den Porsche der ein oder andere Notgroschen eingeplant werden sollte.
Technische Daten von Corvette C3 und Porsche 928
Classic Cars 8/2020 | Chevrolet Corvette C3 | Porsche 928 |
---|---|---|
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 8/2 | 8/2 |
Hubraum | 5733 cm³ | 4420 cm³ |
Leistung | 132 kW/180 PS 4000/min | 177 kW/240 PS 5250/min |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 380 Nm 2400/min | 380 Nm 3600/min |
Getriebe | 3-Stufen-Automatik | 5-Gang-Getriebe |
Antrieb | Hinterrad | Hinterrad |
L/B/H (mm) | 4660/1770/1230 | 4447/1836/1282 |
Leergewicht | 1630 kg | 1465 kg |
Bauzeit | 1978 (Anniversary-Modell) | 1977-1986 (1. Serie) |
Stückzahl | 15.283 (Anniversary-Modell) | 18.000 (mit 240 PS) |
Beschleunigung | 0 auf 100 km/h in 8,4 s | 0 auf 100 km/h in 6,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 190 km/h | 232 km/h |
Verbrauch | 16,0 l/100 km | 15,8 l/100 km |
Grundpreis (Jahr) | 9352 US-Dollar (1978) | 55.000 Mark (1977) |
Chevrolet Corvette C3 und Porsche 928 sind völlig unterschiedliche Sportwagen, obwohl in beiden ein V8-Herz schlägt. Neben großen Unterschieden haben sie jedoch noch weitere interessante Parallelen offenbart. Fakt ist: Die USA sind die traditionelle V8-Nation, die deutschen Achtzylinder kamen alle erst später. Dafür schauten sich nicht nur GM, sondern auch Chrysler und Ford deutsche Tugenden ab: Was bedeutet Komfort, wie sportlich muss oder darf ein Auto sein? Preislich liegen die deutschen V8-Modelle wie der Porsche 928 zum Teil deutlich über den amerikanischen Rivalen – was vermutlich auch darauf zurückzuführen ist, dass sie deutlich exklusiver sind. Hier war ein Achtzylinder die Topmotorisierung, in den USA war sie Standard.
August 28, 2020 at 04:18PM
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